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Beitrag von Matthias Schorer, Lead Business Development Manager, IoT, EMEA bei VMware über die Smart City
Das Konzept „Smart Cities“ ist in den letzten Jahren zum beliebten Schlagwort geworden, das Bürgermeistern ein Lächeln ins Gesicht zaubert und von dem sich die Kommunen eine große Zahl an Vorteilen versprechen. Doch der Weg zu erfolgreichen Anwendungen, die dem Bürger einen echten Mehrwert bieten, ist weit.
Oftmals ist es – ganz naheliegend – die Technik, die den Stadtplanern und Kommunalpolitikern einen Strich durch die Rechnung macht. Das zeigen zwei deutsche Beispiele im Bereich der Parkraumerkennung aus den letzten Jahren: Sowohl Bosch als auch Siemens sind hier mit Pilotprojekten (vorerst) gescheitert. Bosch hatte für eine Testregion in Stuttgart eigene Bodensensoren für den Parkplatz entwickelt, Siemens wollte die Parkplätze anhand von Radarsensoren erkennen, die an Lichtmasten montiert sind. Doch in beiden Fällen war die Erkennungsrate nicht überzeugend, weil es offenbar zu viele Störeinflüsse gab, die das Ergebnis verfälschen.
Doch das sind nur Kinderkrankheiten – funktioniert eine Technologie nicht, werden Unternehmen die nächste testen (und gegebenenfalls beide kombinieren), um zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen. Die smarte Verknüpfung verschiedener Echtzeit-Datenquellen kann hier auf der Basis von Wahrscheinlichkeitsrechnung, verbesserte Ergebnisse erzielen. So stehen beispielsweise bereits Daten zur Verfügung, die anonymisiert von Ultraschallsensoren erkannt werden, die in der neuen S-Klasse von Mercedes verbaut werden – auch hier kommt Technologie von Bosch zum Einsatz. Und zahlreiche Parkhäuser erkennen bereits mit Hilfe von Kameras oder Lasertechnik, ob ein Parkplatz frei oder besetzt ist.
Wildwuchs an Projekten bringt eine Vielzahl nicht zueinander kompatibler Daten
Doch da sind wir bei einem weiteren Grund, warum Städte bisher weniger smart sind als möglich wäre: Es gibt einen Wildwuchs der Technologien, die von zahlreichen Anbietern stammen. Ein Parkleitsystem hier, eine Sensortechnik dort – und das alles von unterschiedlichen Beratern und Dienstleistern umgesetzt mit unterschiedlicher Datenlage. Begriffe wie Open Data suggerieren zwar, es gäbe hier bereits etablierte Standards, doch das ist bei näherem Hinsehen nicht der Fall. So berichtet Francesca Bria, Digitalchefin der Stadt Barcelona und zuständig für eine Vielzahl an Projekten in diesem Bereich, dass die Ergebnisse zahlreicher Digitalprojekte im urbanen Raum der spanischen Metropole hinter den Erwartungen zurück geblieben seien. „Die Stadt hatte keine Kontrolle über die Daten und Sensoren, aber eine Menge technischer Probleme“, zitiert sie der Technology Review.
Hier liegt bei vielen Projekten ein weiterer Schwachpunkt: Die Projektplanung erfolgt viel zu oft mit einem Fokus auf den technischen Möglichkeiten und ohne ausreichende Mitwirkung der Nutzer. Dabei ist die Technik, die hinter Anwendungen der urbanen Digitalisierung steht, nur ein Element unter vielen.
Nicht vergessen werden darf die Kommunikation mit der Bevölkerung. Denn die besteht eben nicht nur aus den Early Adoptern, bei denen man mit dem Thema Digitalisierung offene Türen einrennt. Doch viele skeptische Anwender, die bestimmte Anwendungen ausprobiert haben, sehen dann schon deren Nutzen für sich und ihr tägliches Leben. Auch Hilmar von Lojewski, Beigeordneter des Deutschen Städtetages, erklärt, dass viele Anwendungen im öffentlichen Raum an der Zielgruppe vorbei geplant werden: „Wir leiden unter einer technischen Überentwicklung. Wir erleben derzeit Smart-City-Apologeten, deren Bilder nichts mit der Realität einer Stadt zu tun haben“, kritisiert der Experte.
Ein weiteres Hindernis für erfolgreiche Anwendungen im urbanen Raum sind Unterschiede in der Denkweise zwischen Architekten und Stadtplanern, Technologieanbietern, Kommunalpolitikern und Stadtkämmerern. Jede dieser Parteien hat eine bestimmte Herangehensweise an das Thema. Hinzu kommen Bürgerinitiativen, Datenschützer, Umweltaktivisten und andere Gruppen, die wiederum die jeweilige Thematik mit der ihnen eigenen Brille sehen. Hier werden in Zukunft Mediatoren und Vermittler gebraucht, die in der Lage sind, mit unterschiedlichen Akteuren, die oftmals divergierende Interessen verfolgen, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.
Datenschutz mit Augenmaß: Vorkehrungen können Privatsphäre sichern
Speziell für Deutschland gibt es jedoch ein weiteres Hindernis, das in der Mentalität der Bevölkerung liegt: Wohl kaum eine Gesellschaft ist so misstrauisch bei Technologien, die Daten sammeln, selbst wenn diese anonymisiert erhoben und nur kumuliert wieder ausgegeben und genutzt werden. Umgekehrt gibt eine wachsende Zahl an Menschen, die gegenüber Unternehmen, deren Hauptzweck das Sammeln und Auswerten persönlichster Daten ist, erschreckend wenig Misstrauen zeigen. Datenschutz ist ein hohes Gut, sollte aber mit entsprechendem Augenmaß betrieben werden. So sind beispielsweise die bereits von den Mobilfunkprovidern anonym gesammelten Daten auf Straßen und Autobahnen ein echter Segen bei der Vorhersage von Staus – und eben dank entsprechender Vorkehrungen nicht ein Mittel, um Bewegungsprofile der Fahrer zu erstellen.
Dass sich gerade in Deutschland erst nach und nach Projekte im Bereich der Smart Cities etablieren, hat auch etwas mit der Politik zu tun, die hierfür die nötigen Rahmenbedingungen schaffen muss. Da ist zum einen die Netzinfrastruktur, die zugegebenermaßen in den Städten immer seltener das Nadelöhr darstellt, da ist aber auch der Mut zu politischen Entscheidungen. Was wir hierfür benötigen, sind Enabler aus der Politik, die Digitalisierungsthemen verstehen und vorantreiben. Digitalthemen müssen zum zentralen Punkt der politischen Agenda werden. Gerade bei strategischen Entscheidungen, die die Zukunft der Gesellschaft betreffen sollte hier mit weniger Vorbehalten und Bedenken agiert werden.
Am Geld dürfte es dagegen nicht scheitern: Laut einer aktuellen Studie von Arthur D. Little im Auftrag des eco-Branchenverbandes der Internetwirtschaft werden sich die Smart-City-Umsätze in den Jahren bis 2022 auf 43,8 Milliarden Euro verdoppeln – und das alleine in Deutschland. 2017 waren es immerhin schon 20,4 Milliarden Euro, so dass die Consultants von einer Steigerung von 16,5 Prozent pro Jahr ausgehen.
Aktuell (Stand 2017) fließen bereits 3,5 Milliarden Euro in den Bereich IT-Sicherheit und –Infrastruktur – und das ist auch entscheidend für das Gelingen und die Akzeptanz von Smart-City-Anwendungen, wie wir im dritten Teil unserer Serie zu Smart Cities zeigen werden.
Ich freue mich auf die Diskussion spannender Ansätze mit Ihnen bei LinkedIn, Xing und Twitter. #SmartCSerie
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